Pressemeldung by ISK – Presseservice Hallenradsport vom 07.08.23
Hallenrad-Hoffnung stirbt zuletzt.
Nessie beim Lenker-Handstand
Und was passiert nun mit der Sektion Hallenrad bei der Super-WM in Glasgow? Erleben wir das große Wachküssen, raus aus dem Schatten der olympischen Bike-Disziplinen. Viele hatten sich einen Hype ähnlich wie beim vorsichtigen Schielen nach den fünf Ringen erträumt. Eine Sportart am Rande mittendrin statt nur dabei. Fest steht. Kunstrad-Bundestrainer Dieter Maute und Radball-Coach Jörg Latzel konzentrieren sich bevorzugt auf das sportlich Machbare auf der Fläche – die komplexe Vorbereitung unter großem Zeitdruck und die ungewohnten Bedingungen in der Halle verlangten alles ab.
Nur insgeheim darf das erfolgreiche Trainer-Duo auf den Großen Knall in der Chris-Hoy-Arena hoffen: volle Tribünen, Stimmung wie im Whisky-Rausch, der Hallenradsport im größten Fokus seiner Geschichte. „Skeptisch“ bleiben Maute/Latzel unisono, was Zuschauerzuspruch und mediales Interesse betrifft. „Wir hoffen schon, dass die Schotten reinschauen, aber natürlich wäre das Highlight in der Schweiz oder Österreich ganz anders wahrgenommen worden.“ Kunstradsport und Radball existieren weder in den Highlands noch den Central Lowlands, spielen im gesamten United Kingdom eine untergeordnete Rolle.
Während beim WM-Straßenrennen der Männer die komplette Stadt am Streckenrand stand, werden von Freitag bis Sonntag jeweils kaum mehr als 1500 Kiebitze erwartet. Und dass ganze Bus-Kolonnen aus den heimischen Hallenrad-Hochburgen via Eurotunnel oder auf den Fähren nach Britannien unterwegs wären, war nur kurz nach der Bekanntgabe dieser ersten Cycling Championships eine Vision. „Ich hoffe, dass wir aber bei der UCI zeigen können, nicht nur das fünfte Rad am Wagen zu sein“, sagt Maute, unter dessen Ägide die BDR-Kunstrad-Artisten über 100 Goldmedaillen einheimsten. Er wie Latzel sehen die Aufnahme zu den World Games, so etwas wie das olympische Vorzimmer, als eher realistisch.
Hinter den Verantwortlichen liegen stressige Zeiten. Nicht nur, dass es galt, die gekürzte Saison, die normalerweise auf die WM Ende Oktober hinsteuert, zu stemmen. „Die ungewohnte Hitze in den Hallen aufgrund der frühen Saison und eine enorme Belastung der Vereinstrainer, welche nahtlos von der Nachwuchssaison in die entscheidende Zeit der Elite übergehen mussten kennzeichneten das Jahr“, blickt Maute zurück. Jörg Latzel erlebte eine „ungeheure Terminfülle“ mit Bundesliga, Pokal, WM-Quali und Meisterschaft. Und jetzt vor Ort, wo man ohne eigene Fahrzeuge auskommen muss und ganz auf den örtlichen Shuttle-Dienst angewiesen ist, kommt sich das doch kleine Häuflein der BDR-Aktiven (20 Athleten) wie in der Diaspora vor. Dass die BDR-Cracks dennoch „liefern“, davon geht die in Deutschland mitfiebernde Community (die kurzfristig angesetzte DM in Nufringen erlebte einen wahren Fan-Aufmarsch und Euphorie auf den Rängen) sowieso aus. Mautes Zuverlässige um den sechsmaligen Regenbogentrikotträger Lukas Kohl, das Duo Schefold/Hanselmann in der Offenen Klasse sowie die für Gold und Silber favorisierten Frauen Ramona Dandl und Lara Füller im Einer sind Garanten für die deutsche Hymne. Erstmals am Anstoßkreis steht das Radball-Duo aus Obernfeld mit Raphael und André Kopp, die den zweimaligen Weltmeistern Bernd & Gerhard Mlady das Startrecht wegschnappten. Auf ein WM-Finale mit den beiden Final-Five-Dominatoren am Sonntag in Glasgow darf man getrost eine Flasche Single Malt wetten. Und dann sollte es doch mit dem Teufel zugehen, dass die sangesfreudigen schottischen Fans bei Rosshaarkugel-Crashs nicht aus dem Häuschen geraten. Cycle Ball erobert Scotland – und Nessie versucht den Lenker-Handstand.
Bild (c) Wilfried Schwarz